Interview mit Christian Otto Kelm von AMALYZE

Bereits seit 2013 bist du beruflich im Amazon-Kosmos unterwegs und mittlerweile bist du zu einem der Experten für Amazon und Amazon SEO in Deutschland geworden. Was hat dich damals dazu bewegt deinen ursprünglichen beruflichen Weg zu verlassen und als Amazon-Experte zu starten? Erzähl uns etwas über Deine Vision.

Nach 10 Jahren Bundeswehr bin ich aus gesundheitlichen Gründen entlassen worden. Daher war es eher keine direkte Entscheidung. Meine damalige Frau suchte immer fleißig im Umkreis nach Firmen und Stellen. In Erwartung des zweiten Kindes sind wir tatsächlich einfach zum Tag der offenen Tür der Jöllenbeck GmbH gefahren. Als ich erkannte, die produzieren Gaming Zubehör, war die Bewerbung schnell im Briefkasten. Marketing und Einkauf waren dann die möglichen Positionen. Am Ende wurde ich sozusagen Schnittstellenmanager zwischen Vertrieb, Einkauf und Marketing und durfte Verpackungen sowie Anleitungen entwickeln, Texte und Bilder konzeptionieren und auch im Sourcing mitwirken. Alles dank eines perfekt aufgebauten Teams drumherum. Mir war nur der Denkansatz, alles an die Regale vom stationären Handel zu optimieren, zu kurz gedacht und ich habe die Büchse der Pandora geöffnet… So kam ich zum Thema Amazon. 2 Jahre später durfte ich mich als erster Mitarbeiter der frisch gegründeten Agentur factor-a anschließen. Wir haben ein schnelles Wachstum hingelegt da ich vollumfänglich 2 Jahre in die absolute Tiefe der Vendorenseite einsteigen konnte. Als Produktmanager mit allen Bereichen drum herum wusste ich wo der Schuh drückt und wie man das interorganisational (zum Glück hab ich sowas auch noch studiert gehabt) löst und für Amazon umsetzt.

Es folgte der nächste Schritt auf der Bucket List für Amazon – ich habe bei KW-Commerce angefangen – also einem sehr erfolgreichen Seller. Dort läuft alles anders – das war neu – aber auch von Erfolg geprägt. Persönlich musste ich dann doch aussteigen – doch statt Ruhe zu finden ging es in die Selbstständigkeit. Bucket List – Amazon Coach werden – auch geschafft. Eigene Produkte verkauft, mit Kooperationen lief es auch sehr gut und ich merkte es läuft vieles schief in der Branche – leider bis heute. Da erzählen irgendwelche dahergelaufenen Typen irgendwas und tun so, als wären sie die Kings – labern viel Mist und können nichts belegen oder umsetzen – da merkte ich, was ich eigentlich will. Hilfe zur Selbsthilfe war als Arbeitsmotto entstanden. Ich möchte nur allen anderen aufzeigen wie man etwas lösen kann – die Umsetzung und das Wissen dazu lasse ich immer beim Gegenüber. Mit der Zeit zeigte sich, dass Daten selten lügen und so kam ich zu AMALYZE – das war am Ende die perfekte Ergänzung zu meinem Denkansatz. Und so ist meine Bucket List am Ende mit einem Tool für Amazon abgeschlossen. Nur bei Amazon selbst habe ich nicht gearbeitet – das sehe ich aber nicht als notwendigen Ansatz um Ahnung davon zu haben.


Wer erfolgreich Produkte auf Amazon verkaufen möchte, sieht sich häufig mit einer Vielzahl von Anleitungen, Tipps und Tricks konfrontiert. Welche Themen würdest du besonders ernst nehmen? Und welche Themen werden deiner Meinung nach häufig vernachlässigt? 


Produkte müssen auch nachgefragt werden und irgendein Problem spezifisch lösen. Das muss man dann aber auch kommunizieren. Da wird teils überhaupt kein Wert auf den Kunden und dessen Bedürfnisse gelegt.

Der Preispunkt ist absolut wichtig – aber kein Spielzeug. Preisstrukturen in der Nachfrage zeigen sich auf den unterschiedlichen SERPs je nach Suchbegriff – das kann man doch nicht einfach ignorieren!?

Wer Werbung auf Amazon schalten muss, um zu verkaufen, hat ganz andere Probleme. Leider gelten ADs als Allzweckwaffe – dabei vernichten diese nur eure Marge. Hier fehlt der nötige Sachverstand im Einsatz der Mittel und deren Bewertung. Eigentlich sollte Werbung auf Amazon das letzte Mittel und nicht das erste sein. Die Spieltheorie zeigt ja deutlich auf, wo der Vorteil aller Händler liegen würde – schaltet alle die Werbung aus und ihr alle würdet in Summe profitieren.

Die meisten scheiternden Ansätze hätte man durch eine vorgelagerte Analyse verhindern können. Das wird absolut vernachlässigt. Auch die eigenständige Recherche nach Lösungen gibt es quasi nicht mehr – man verlässt sich auf irgendwelche Beiträge in sozialen Medien, ohne zu prüfen, was im eigenen Bereich die zweckmäßige Lösung wäre.
Klappt etwas nicht, ist immer Amazon oder der Kunde schuld und man wechselt auf ein neues Produkt. Dabei wird vergessen, dass Amazon nur das Ende der Nahrungskette ist – hier wird gegessen – Inspiration, stöbern, Bedarfsweckung – das alles findet außerhalb statt. Der Marktplatz Amazon ist begrenzt in seinem Suchvolumen. Die Kunden sind aber überall da draußen!

Mir geht es weniger um das, was vernachlässigt wird – eher was überpriorisiert wird. Einerseits Werbung und andererseits Bewertungen. Daten sprechen nunmal deutlich gegen den ganzen Bewertungshype. Im besonderen ist die reine Menge egal – das hat selbst Amazon aufgezeigt mit eigenen Daten. Ab 20 Bewertungen ist das Maximum an zusätzlicher Konvertierung nun mal erreicht. Wir haben uns dazu schon so vielfältig geäußert – aber dazu werden sicher in Zukunft andere Formate noch weitere Informationen bereithalten. Ich möchte nur ausdrücklich darauf hinweisen, wie aktuell Bewertungen generiert werden, zeigt, dass es nur dazu dient, den Verkaufsalgorithmus zu beeinflussen – also Produkte über bestimmte Worte zu kaufen – die Bewertung ist nur Mittel zum Zweck aber nicht das eigentliche Ziel.

Das Produkt ist auf Amazon erhältlich, jedoch steigen die Verkaufszahlen nicht so stetig an, wie gewünscht. Bei der Sucheingabe rankt das Produkt ebenfalls sehr weit unten. Welche nächsten Schritte können unternommen werden, um den Umsatz weiter zu steigern?

Erstmal ist doch die Frage warum jemand davon ausgeht, dass die Verkäufe stetig zu steigen haben? Marktsättigung, absolute mangelhafte Besserdarstellung der Mehrwerte, ein Produkt von vielen, wie sticht man also überhaupt heraus?
Warum denkt jeder, man könnte einfach Wäscheklammern listen und nach wenigen Tagen oder Wochen müssen ja die eigenen Wäscheklammern die einzigen sein, die Kunden kaufen?
Es laufen jeden Tag so viele verschiedene Kunden über den Marktplatz – niemand kann all deren Bedarf decken.
Ein Ranking weit unten ist selten ein Problem, Filter und weiter ausformulierte Suchworte schieben einen schnell wieder nach oben bei guten Artikeln. Will ich bei einem 20€ Durchschnittspreis-Keyword mit 50€ Produkten erscheinen? Wo Kunden billig kaufen oder vornehmlich rot haben wollen, habe ich als Verkäufer eines blauen, 50€ Produkts nunmal nichts zu suchen. Hier liegt oft der Fehler in der Annahme, ich müsste unter einem bestimmten Wort überhaupt weit oben erscheinen.
Umsatzsteigerung sollte eigentlich nie vor Gewinnsteigerung stehen. Werbung aus und oftmals wird vieles besser. Bessere Bilder und Inhalte und schon konvertieren mehr Kunden bei “gleich schlechter” Auffindbarkeit. Der Aufbau einer externen Wahrnehmung ist viel wichtiger als eine Position auf Amazon. “Pinterest-ready” ist aktuell fast Pflicht. Die täglichen Interaktionskanäle muss man bespielen – schafft man es dort aufzufallen, zu gefallen, einen Bedarf zu wecken oder als Marke wahrgenommen zu werden, suchen die Leute automatisch – dann ist es egal ob Shopify oder Amazon oder schlimmstenfalls Ebay – der Kunde sucht bis er dich findet.

Inhalts-, Performance- und Relevanzfaktoren – Amazons Rankingalgorithmus bezieht eine Reihe an Einflussfaktoren in seine Entscheidung mit ein, welches Produkt bei den organischen Suchergebnissen oben angezeigt wird. Was ist die beste SEO-Strategie, um mit seinen Produkten möglichst weit oben zu ranken?

Man muss schlicht zum Zeitpunkt der Abfrage relevant sein. Jedoch vergessen hier viele die Einfachheit von A9. Ganz viele Kunden interagieren in einer bestimmten Art und Weise und Suchergebnisseiten sind schlicht die Summe aller Interaktion. Ein bisschen Zauberei, ob das Produkt im Lager in der Nähe ist, ein wenig Performance-Faktoren zum Händler und Artikel zugemischt – fertig. Das wechselt ehrlich gesagt auch recht häufig. Die SERP-Volatilität – also die Wechselhaftigkeit der Suchergebnisse ist dann das Resultat der vielen verschiedenen Geschmäcker oder Kauf-Intentionen die jeden Tag auf Amazon-Produkte treffen. Am einfachsten ist es, die Suchabfragen zu analysieren ob man da hingehören will und ob der Preis passt. Dann sollte die Suchabfrage am besten noch genau in der Reihenfolge dargestellt werden im eigenen Inhalt. Alles andere entwickelt sich nur über sehr viel Zeit – heißt man benötigt Geduld. Sich kurzfristig irgendwo mit externen Mittel hochpushen, oder mit Werbung, ist kein langfristig wirksamer Ansatz.

Stehen die Produkte auf Amazon erst einmal zum Verkauf, gibt es eine Vielzahl an Werbemöglichkeiten, die helfen Produkte möglichst weit vorne in den Suchergebnissen zu ranken. Welchen Prozess würdest du Sellern bezüglich Amazon PPC Kampagnen empfehlen? 

Werbung sollte immer nur ein weiteres Mittel sein – aber nicht das erste und nicht das einzige Mittel um Produkte verkaufsfördernd darzustellen. Man darf nie vergessen – ein schlechtes Produkt ist dann nur ein beworbenes schlechtes Produkt. Kein Gebot der Welt verbessert deine kaputte Konvertierungsrate. Spielt nie am Gebot rum – es gibt keinen Grund – und in welche Richtung spielt ihr überhaupt? Nach oben oder nach unten? Dann ist man im Casino erfolgreicher!

Kalkulation der Marge und der möglichen Gebote ist absolut wichtig. Dein maximal für Werbung investierbarer Betrag mal die Konvertierungsrate des Artikels sollte dein ungefährer durchschnittlicher Klickpreis sein. Aber auch nur mit dem Ziel Werbemittel aus der Produktmarge zu finanzieren.
Weiterhin ist es hilfreich lieber immer alle Werbekosten des Kanal Amazon gegen alle Verkäufe im kanal Amazon zu rechnen. So bekommt man ein besseres Lagebild. Die Kosten pro Bestellungen sind dabei mein Favorit. Werde wie ACOS und ROAS sind von Amazon absolut falsch dargestellt sowohl als Vendor als auch bei Sellern – daher sind diese Zahlen unnütz zumal schlechtere Werte hier oftmals mehr Gewinn am anderen Ende aufzeigen können.
Werbung muss man zudem aufteilen. Keywordbasiert, Produkbasiert und automatisch. Unterstützt um die grundlegende Teilung nach Eigenschutz, Wettbewerbern und generischen Bereichen. Ansätze die erzählen, man muss von automatisch über Broad zu Phrase und exakt, haben leider keine Ahnung. Jedes gute Tool kann doch sofort aufzeigen welche Keywords relevant sind oder wo der Umsatz anderer oder eigener Artikel herkommt – warum also ewig warten und sich mit negativen Keywords Möglichkeiten nehmen, wenn man direkt oben anfangen kann tolle Werbung zu schalten.
Zu guter letzt – entwickelt immer Lösungen für eure Artikel und kopiert nicht andere Ansätze.

Du hast bereits seit vielen Jahren Erfahrung im Bereich E-Commerce und hast jede Menge Seller und Vendoren im Umgang mit Amazon beraten. Was sind deine Key-Learnings, die du in der letzten Zeit sammeln konntest? Was hättest Du rückblickend gerne bereits früher gewusst?

Das wichtigste ist wohl, dass sich in den letzten 7 Jahren nichts wirklich geändert hat. Die Probleme sind die gleichen, die Lösungsansätze immer noch dieselben und die Teamstrukturen absolut unterbesetzt. Alle wollen Geld machen, aber keiner will wirklich nachhaltig dafür arbeiten und sich tief in die Materie einarbeiten oder Mitarbeiter dafür ausbilden und einstellen. Scheitern wird auf Amazon und den Kunden geschoben oder auf fernöstliche Wettbewerber, aber eigenen Lösungssuche und Reflektion von Ursache und Wirkung bleiben aus.
Das ist jedoch auch ein Vorteil – so bleibt noch viel zutun, um die notwendige Selbsthilfe an die Seller und Vendoren weiterzugeben.

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